Münchhausen |
![]() Siebzehntes KapitelWenn ich Ihren Augen trauen darf, meine Herren, so möchte ich wohl eher müde werden, Ihnen sonderbare Begebenheiten meines Lebens zu erzählen, als Sie, mich anzuhören. Ihre Gefälligkeit ist mir zu schmeichelhaft, als daß ich, wie ich mir vorgenommen hatte, mit meiner Reise nach dem Monde meine Erzählung schließen sollte. Hören Sie also, wenn es Ihnen beliebt, noch eine Geschichte, die an Glaubwürdigkeit der letztern gleichkömmt, an Merkwürdigkeit und Wunderbarkeit sie vielleicht noch übertrifft.![]() Eines Morgens reisete ich früh aus einer am Fuß des Berges gelegenen Hütte ab, fest entschlossen, auch wenn es auf Kosten meines Lebens geschehen sollte, die innere Einrichtung dieser berühmten Feuerpfanne zu untersuchen und auszuforschen. Nach einem mühseligen Weg von drei Stunden befand ich mich auf der Spitze des Berges. Er tobte damals gerade und hatte schon drei Wochen getobt. Wie er unter den Umständen aussieht, das ist schon so oft geschildert worden daß, wenn Schilderungen es darstellen können, ich auf alle Fälle zu spät komme; und wenn sie, wie ich aus Erfahrung sagen darf, es nicht können, so wird es am besten getan sein, wenn nicht auch ich über dem Versuche einer Unmöglichkeit die Zeit verliere und Sie die gute Laune. Ich ging dreimal um den Krater herum - den Sie sich als einen ungeheueren Trichter vorstellen können -, und da ich sah, daß ich dadurch wenig oder nichts klüger wurde, so faßte ich kurz und gut den Entschluß, hineinzuspringen. Kaum hatte ich dies getan, so befand ich mich auch in einem verzweifelt warmen Schwitzkasten, und mein armer Leichnam wurde durch die rotglühenden Kohlen, die beständig heraufschlugen, an mehreren Teilen, edlen und unedlen, jämmerlich gequetscht und verbrannt. So stark übrigens die Gewalt war, mit der die Kohlen heraufgeschmissen wurden, so war doch die Schwere, mit der mein Körper heruntersank, ein beträchtliches größer, und ich kam in kurzer Zeit glücklicherweise auf den Grund. Das erste, was ich gewahr wurde, war ein abscheuliches Poltern, Lärmen, Schreien und Fluchen, das rings um mich zu sein schien. ![]() ![]() Vulkan gab mir eine sehr genaue Beschreibung von dem Berg Ätna. Er sagte mir, daß derselbe nichts als eine Aufhäufung der Asche wäre, die aus seiner Esse ausgeworfen würde, daß er häufig genötigt wäre, seine Leute zu strafen, daß er ihnen dann im Zorn rotglühende Kohlen auf den Leib würfe, die sie oft mit großer Geschicklichkeit parierten und in die Welt hinaufschmissen, um sie ihm aus den Händen zu bringen. "Unsere Uneinigkeiten", fuhr er fort, "dauern bisweilen mehrere Monate, und die Erscheinungen, die sie auf der Welt veranlassen, sind das, was ihr Sterbliche, wie ich finde, Ausbrüche nennet. Der Berg Vesuv ist gleichfalls eine meiner Werkstätten, zu der mich ein Weg führt, der wenigstens dreihundertundfunfzig Meilen unter der See hinläuft. Ähnliche Uneinigkeiten bringen auch dort ähnliche Ausbrüche hervor." Gefiel mir der Unterricht des Gottes, so gefiel mir noch mehr die Gesellschaft seiner Gemahlin, und ich würde vielleicht nie diese unterirdischen Paläste verlassen haben, wenn nicht einige geschäftige schadenfrohe Schwätzer Vulkan einen Floh ins Ohr gesetzt und ein heftiges Feuer der Eifersucht in seinem gutmütigen Herzen angeblasen hätten. ![]() "Undankbarer Sterblicher", sagte er, "kehre zurück zu der Welt, von der du kamst." Mit diesen Worten ließ er mich, ohne mir einen Augenblick Zeit zur Verteidigung zu geben, mitten in den Abgrund hinunterfallen. ![]() ![]() ![]() Ich erkundigte mich nun, wohin ihre Reise ginge. Sie antworteten mir, sie wären auf neue Entdeckungen ausgefahren, und wenn meine Erzählung wahr wäre, so sei ihre Absicht auf alle Fälle erreicht. Wir waren nun gerade auf dem Wege, den Kapitän Cook gemacht hatte, und kamen den andern Morgen nach der Botany-Bay - ein Ort, nach dem die englische Regierung wahrhaftig nicht Spitzbuben schicken sollte, um sie zu strafen, sondern verdiente Männer, um sie zu belohnen, so reichlich hat hier die Natur ihre besten Geschenke ausgeschüttet. ![]() Bald nach dieser wundervollen Veränderung sahen wir Land und nicht weit von uns einen Hafen, auf den wir zusegelten und den wir sehr geräumig und tief fanden. Statt des Wassers war er mit vortrefflich schmeckender Milch angefüllt. Wir landeten, und - die ganze Insel bestand aus einem großen Käse. Wir hätten dies vielleicht gar nicht entdeckt, wenn uns nicht ein sonderbarer Umstand auf die Spur geholfen hätte. Es war nämlich auf unserm Schiffe ein Matrose, der eine natürliche Antipathie gegen den Käse hatte. Sobald dieser ans Land trat, fiel er in Ohnmacht. ![]() ![]() ![]() Nach einer sechzehntägigen Reise kamen wir an das Ufer, das dem, an welchem wir gelandet hatten, gegenüberlag. Hier fanden wir eine ganze Strecke des angegangenen blauen Käses, aus dem die wahren Käseesser so viel Wesens zu machen pflegen. Anstatt daß aber Milben darin gewesen wären, wuchsen die vortrefflichsten Obstbäume darauf, als Pfirsiche, Aprikosen und tausend andere Arten, die wir gar nicht kannten. Auf diesen Bäumen, die erstaunlich groß sind, waren eine Menge Vogelnester. Unter andern fiel uns ein Eisvogelnest in die Augen, das im Umkreise fünfmal so groß war als das Dach der St. Paulskirche in London. Es war künstlich aus ungeheueren Bäumen zusammengeflochten, und es lagen wenigstens - warten Sie - denn ich mag gern alles genau bestimmen - wenigstens fünfhundert Eier darin, und jedes war ungefähr so groß als ein Oxhoft. ![]() ![]() Die Holländer schwimmen alle wie die Ratten; er war bald wieder bei uns, und wir kehrten nach unserm Schiffe zurück. Wir nahmen aber nicht den alten Weg und fanden daher auch noch viele ganz neue und sonderbare Dinge. Unter andern schossen wir zwei wilde Ochsen, die nur ein Horn haben, das ihnen zwischen den beiden Augen herauswächst. Es tat uns nachher leid, daß wir sie erlegt hatten, da wir erfuhren, daß die Einwohner sie zahm machen und, wie wir die Pferde, zum Reiten und Fahren gebrauchen. Ihr Fleisch soll, wie man uns sagte, vortrefflich schmecken, ist aber einem Volke, das bloß von Milch und Käse lebt, gänzlich überflüssig. Als wir noch zwei Tagereisen von unserm Schiffe entfernt waren, sahen wir drei Leute, die an hohe Bäume bei den Beinen aufgehängt waren. Ich erkundigte mich, was sie begangen hätten, um eine so harte Strafe zu verdienen, und hörte, sie wären in der Fremde gewesen und hätten bei ihrer Zurückkunft nach Hause ihre Freunde belogen und ihnen Plätze beschrieben, die sie nie gesehen, und Dinge erzählt, die sich nie zugetragen hätten. Ich fand die Strafe sehr gerecht; denn nichts ist mehr eines Reisenden Schuldigkeit, als strenge der Wahrheit anzuhängen. Sobald wir bei unserm Schiffe angelangt waren, lichteten wir die Anker und segelten von diesem außerordentlichen Lande ab. Alle Bäume am Ufer, unter denen einige sehr große und hohe waren, neigten sich zweimal vor uns, genau in einem Tempo, und nahmen dann wieder ihre vorige gerade Stellung an. Als wir drei Tage umhergesegelt waren, der Himmel weiß wo - denn wir hatten noch immer keinen Kompaß -, kamen wir in eine See, welche ganz schwarz aussah. Wir kosteten das vermeinte schwarze Wasser, und siehe, es war der vortrefflichste Wein. Nun hatten wir genug zu hüten, daß nicht alle Matrosen sich darin berauschten. - Allein die Freude dauerte nicht lange. ![]() ![]() Am zweiten Tag unserer Gefangenschaft in diesem Reiche der Nacht wagte ich es bei der Ebbe, wie wir die Zeit nannten, wenn das Schiff auf dem Grunde saß, nebst dem Kapitän und einigen Offizieren, eine kleine Streiferei zu tun. Wir hatten uns natürlich alle mit Fackeln versehen und trafen nun gegen zehntausend Menschen aus allen Nationen an. Sie wollten gerade eine Beratschlagung halten, wie sie wohl ihre Freiheit wiedererlangen könnten. Einige von ihnen hatten schon mehrere Jahre in dem Magen des Tieres zugebracht. Eben als der Präsident uns über die Sache unterrichten wollte, wegen der wir versammelt waren, wurde unser verfluchter Fisch durstig und fing an zu trinken; das Wasser strömte mit solcher Heftigkeit herein, daß wir alle uns augenblicklich nach unsern Schiffen retirieren oder riskieren mußten, zu ertrinken. Verschiedene von uns retteten sich nur mit genauer Not durch Schwimmen. Einige Stunden nachher waren wir glücklicher. Sobald sich das Ungeheuer ausgeleert hatte, versammelten wir uns wieder. Ich wurde zum Präsidenten gewählt und tat den Vorschlag, zwei der größten Mastbäume zusammenzufügen, diese, wenn das Ungeheuer den Rachen öffnete, zwischenzusperren und so das Zuschließen ihm zu verwehren. Dieser Vorschlag wurde allgemein angenommen und hundert starke Männer zu der Ausführung desselben ausgesucht. Kaum hatten wir unsere zwei Mastbäume zurechtegemacht, so bot sich auch eine Gelegenheit an, sie zu gebrauchen. Das Ungeheuer gähnte, und sogleich keilten wir unsere zusammengesetzten Mastbäume dazwischen, so daß das eine Ende durch die Zunge durch gegen den untern Gaumen, das andere gegen den obern stand; wodurch denn wirklich das Zumachen des Rachens ganz unmöglich gemacht war, selbst wenn unsere Maste noch viel schwächer gewesen wären. Sobald nun alles in dem Magen flott war, bemannten wir einige Boote, die sich und uns in die Welt ruderten. Das Licht des Tages bekam uns nach einer, soviel wir beiläufig rechnen konnten, vierzehntägigen Gefangenschaft unaussprechlich wohl. ![]() Unser erster Wunsch war nun, zu erfahren, in welchem Teile der Welt wir uns befanden, und anfänglich konnten wir darüber gar nicht zur Gewißheit kommen. Endlich fand ich nach vormaligen Beobachtungen, daß wir in der Kaspischen See wären. Da diese See ganz mit Land umgeben ist und keine Verbindung mit andern Gewässern hat, so war es uns ganz unbegreiflich, wie wir dahingekommen wären. Doch einer von den Einwohnern der Käseinsel, den ich mit mir gebracht hatte, gab uns einen sehr vernünftigen Aufschluß darüber. Nach seiner Meinung hatte uns nämlich das Ungeheuer, in dessen Magen wir so lange eingesperrt waren, durch irgendeinen unterirdischen Weg hierhergebracht. - Genug, wir waren nun einmal da und freueten uns, daß wir da waren, und machten, daß wir so bald als möglich ans Ufer kamen. Ich war der erste, der landete. Kaum hatte ich meinen Fuß auf das Trockene gesetzt, so kam ein dicker Bär gegen mich angesprungen. Ha! dacht ich, du kommst mir eben recht. ![]() Ich reisete von hier aus nach Petersburg und bekam dort von einem alten Freunde ein Geschenk, was mir außerordentlich teuer war, nämlich einen Jagdhund, der von der berühmten Hündin abstammte, die, wie ich Ihnen schon einmal erzählte, während sie einen Hasen jagte, Junge warf. Leider wurde er mir bald nachher von einem ungeschickten Jäger erschossen, der statt einer Kette Hühner den Hund traf, der sie stand. Ich ließ mir zum Andenken aus dem Felle des Tieres diese Weste hier machen, die mich immer, wenn ich zur Jagdzeit ins Feld gehe, unwillkürlich dahin bringt, wo Wild zu finden ist. Bin ich nun nahe genug, um schießen zu können, so fliegt ein Knopf von meiner Weste weg und fällt auf die Stelle nieder, wo das Tier ist; und da ich immer meinen Hahnen gespannt und Pulver auf meiner Pfanne habe, so entgeht mir nichts. - Ich habe nun, wie Sie sehen, nur noch drei Knöpfe übrig, sobald aber die Jagd wieder aufgeht, soll meine Weste auch wieder mit zwei neuen Reihen besetzt werden. Besuchen Sie mich alsdann, und an Unterhaltung soll es Ihnen gewiß nicht fehlen. Übrigens für heute empfehle ich mich und wünsche Ihnen angenehme Ruhe. ![]() |