Siebentes Kapitel
Im Jahr 1766 schiffte ich mich zu Portsmouth auf einem englischen Kriegsschiffe
erster Ordnung, mit hundert Kanonen und vierzehnhundert Mann, nach Nordamerika
ein. Ich könnte hier zwar erst noch allerlei, was mir in England begegnet ist,
erzählen; ich verspare es aber auf ein anderes Mal. Eins jedoch, welches mir
überaus artig vorkam, will ich nur noch im Vorbeigehen mitnehmen. Ich hatte das
Vergnügen, den König mit großem Pompe in seinem Staatswagen nach dem Parlament
fahren zu sehen. Ein Kutscher mit einem ungemein respektablen Barte, worein
das englische Wappen sehr sauber geschnitten war, saß gravitätisch auf dem
Bocke und klatschte mit seiner Peitsche ein ebenso deutliches als künstliches:
Anlangend unsere Seereise, so begegnete uns nichts Merkwürdiges, bis wir
ohngefähr noch dreihundert Meilen von dem St. Lorenzflusse entfernt waren.
Hier stieß das Schiff mit erstaunlicher Gewalt gegen etwas an, das uns wie
ein Fels vorkam. Gleichwohl konnten wir, als wir das Senkblei auswarfen, mit
fünfhundert Klaftern noch keinen Grund finden.
Was diesen Vorfall noch
wunderbarer und beinahe unbegreiflich machte, war, daß wir unser Steuerruder
verloren, das Bugspriet mitten entzweibrachen und alle unsere Masten von oben
bis unten aus zersplitterten, wovon auch zwei über Bord stoben. Ein armer
Teufel, welcher gerade oben das Hauptsegel beilegte, flog wenigstens drei
Meilen weit vom Schiffe weg, ehe er zu Wasser fiel. Allein er rettete noch
dadurch glücklich sein Leben, daß er, während er in der Luft flog, den Schwanz
einer Rotgans ergriff, welches nicht nur seinen Sturz in das Wasser milderte,
sondern ihm auch Gelegenheit gab, auf ihrem Rücken oder vielmehr zwischen Hals
und Fittichen so lange nachzuschwimmen, bis er endlich an Bord genommen werden
konnte.
Ein anderer Beweis von der Gewalt des Stoßes war dieser, daß alles
Volk zwischen den Verdecken empor gegen die Kopfdecke geschnellt ward. Mein
Kopf ward dadurch ganz in den Magen hinabgepufft, und es dauerte wohl einige
Monate, ehe er seine natürliche Stellung wieder bekam.
Noch befanden wir uns
insgesamt in einem Zustande des Erstaunens und einer allgemeinen
unbeschreiblichen Verwirrung, als sich auf einmal alles durch Erscheinung eines
großen Walfisches aufklärte, welcher an der Oberfläche des Wassers, sich
sömmernd, eingeschlafen war. Dies Ungeheuer war so übel damit zufrieden, daß
wir es mit unserm Schiffe gestört hatten, daß es nicht nur mit seinem Schwanze
die Galerie und einen Teil des Oberlofs einschlug, sondern auch zu gleicher
Zeit den Hauptanker, welcher wie gewöhnlich am Steuer aufgewunden war, zwischen
seine Zähne packte und wenigstens sechzig Meilen weit, sechs Meilen auf eine
Stunde gerechnet, mit unserm Schiffe davoneilte. Gott weiß, wohin wir gezogen
sein würden, wenn nicht noch glücklicherweise das Ankertau zerrissen wäre,
wodurch der Walfisch unser Schiff, wir aber auch zugleich unsern Anker
verloren. Als wir aber sechs Monate hierauf wieder nach Europa zurücksegelten,
so fanden wir ebendenselben Walfisch in einer Entfernung weniger Meilen von
ebender Stelle tot auf dem Wasser schwimmen, und er maß ungelogen der Länge
nach wenigstens eine halbe Meile. Da wir nun von einem so ungeheueren Tiere
nur wenig an Bord nehmen konnten, so setzten wir unsre Boote aus, schnitten
ihm mit großer Mühe den Kopf ab und fanden zu unserer großen Freude nicht nur
unsern Anker, sondern auch über vierzig Klafter Tau, welches auf der linken
Seite seines Rachens in einem hohlen Zahne steckte. Dies war der einzige
besondere Umstand, der sich auf dieser Reise zutrug. Doch halt! eine Fatalität
hätte ich beinahe vergessen. Als nämlich das erstemal der Walfisch mit dem
Schiffe davonschwamm, so bekam das Schiff einen Leck, und das Wasser drang
so heftig herein, daß alle unsere Pumpen uns keine halbe Stunde vor dem Sinken
hätten bewahren können.
Zum guten Glück entdeckte ich das Unheil zuerst. Es
war ein großes Loch, ohngefähr einen Fuß im Durchmesser. Auf allerlei Weise
versuchte ich es, das Loch zu verstopfen, allein umsonst. Endlich rettete
ich dies schöne Schiff und alle seine zahlreiche Mannschaft durch den
glücklichsten Einfall von der Welt. Ob das Loch gleich so groß war, so füllte
ichs dennoch mit meinem Liebwertesten aus, ohne meine Beinkleider abzuziehen;
und ich würde ausgelanget haben, wenn auch die Öffnung noch viel größer
gewesen wäre. Sie werden sich darüber nicht wundern, meine Herren, wenn ich
Ihnen sage, daß ich auf beiden Seiten von holländischen, wenigstens
westfälischen Vorfahren abstamme. Meine Situation, solange ich auf der Brille
saß, war zwar ein wenig kühl, indessen ward ich doch bald durch die Kunst
des Zimmermannes erlöset.
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